Villinger/Böcklin Kapelle

Der erste Stifter der Kapelle, Jakob Villinger, verewigte sich in den Kapellenfenstern und Gewölbeschlussteinen. Als später der Magdeburger Dompropst Wilhelm Böcklin von Böcklinsau die Kapelle übernahm, verdrängte dieser die Präsenz seines Vorgängers und sicherte sich sein ewiges Andenken mit einer lebensgroßen Steinfigur.

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Villinger und Villinger-Fenster

Jakob Villinger von Schönenberg (1480 wohl in Schlettstadt geboren, † 1529) war von seit 1510 für die Finanzen von Kaiser Maximilian I. zuständig. Vom engen Kontakt zeugt die Lage der Kapelle direkt neben den Kaiserkapellen.

  • Ein weiteres Mal markieren die Schutzpatrone auf den Schlusssteinen den Kapellenbesitz der Villinger-Familie. In der Kapelle der Hl. Jakobus mit Pilgerstab und -muschel

    Ein weiteres Mal markieren die Schutzpatrone auf den Schlusssteinen den Kapellenbesitz der Villinger-Familie. In der Kapelle der Hl. Jakobus mit Pilgerstab und -muschel

  • Im Vorraum die Hl. Ursula mit Pfeil.

    Im Vorraum die Hl. Ursula mit Pfeil.


    Der Magdeburger Dompropst Böcklin

    Dem zweiten Besitzer der Kapelle reichte die - wenn auch bunte, so doch eher zurückhaltende - Präsentation der eigenen Figur in den Fenstern im Schatten der Schutzpatrone nicht aus: Der Magdeburger Dompropst Wilhelm Ludwig Böcklin von Böcklinsau (gest. 1585), in dessen Besitz die Kapelle schon wenige Jahre später (um 1567) kam, verewigte sich mit einem monumentalen Epitaph. Die lebensgroße Figur aus Sandstein steht im Winkel der beiden Kapellenwände in einem aufwendigen architektonischen Rahmen in direkter Nähe zu seinem Grab. Die Inschrift in der Bodenplatte mit zwei Eisengriffen vor dem Altar ist noch gut lesbar. Über der Rüstung trägt er ein bodenlanges Gewand und eine Mitra, den Bischofsstab hält er in der Hand. Er wendet sich dorthin, wo bis 2006 das Böcklin-Kreuz über einem Altar montiert war.

    Epitaph/Böcklin-Monument

    Ewiges Andenken. Böcklin und sein monumentales Epitaph

    Als ältestes Kunstwerk im Münster erfuhr das um 1200 entstandene Böcklin-Kreuz eine enorme Aufwertung, als es 2009 im Rahmen der Neugestaltung des Chorraums als Triumphkreuz über dem Zelebrationsaltar angebracht wurde. In der Böcklin-Kapelle fehlt dem wenig bescheiden auftretenden Dompropst nun jedoch sein Gegenüber: Die Hände in einer ungewöhnlichen Art zur Fürbitte erhoben, wendete er sich doch in der ursprünglichen Gestaltung der Kapelle zum Kruzifix, um seine Fürbitte für ein ewiges Leben an Christus zu richten. Böcklin wählte, so schreibt es Heinfried Wischermann in einem Aufsatz (20XX) eine „monumentale Sonderform des ,Epitaphs’“: Das Monument zeigt Böcklin als eine das Erbarmen Christi erbittende Figur und an der anderen Wand der Chorkapelle den Adressaten der Fürbitte, Christus selbst, der im sogenannten Böcklin-Kreuz oberhalb des Altars montiert war. Seit der Versetzung des Böcklin-Kreuzes verfehlt seine Fürbitte das Ziel: Böcklin ist nun dem Annen-Altar zugewandt, der erst 2009 in die Kapelle kam.

    • Das Böcklin Monument mit dem Portrait Böcklins in der heutigen Kapelle.

      Das Böcklin Monument mit dem Portrait Böcklins in der heutigen Kapelle.

    • Ein Einblick in die Villinger Böcklin Kapelle um 1900. Zu sehen sind das Böcklin Monument und das Böcklin Kreuz in einem Renaissancerahmen an der Kapellenwand.

      Ein Einblick in die Villinger Böcklin Kapelle um 1900. Zu sehen sind das Böcklin Monument und das Böcklin Kreuz in einem Renaissancerahmen an der Kapellenwand.


      Der Annen-Altar

      Die Hl. Anna mit ihrer Tochter Maria und ihrem Enkel Christus

      Joachim

      Josef

      Erst seit 2009 befindet sich der Annen-Altar in der Kapelle, der folglich in keinem Zusammenhang zu Böcklins Tochter Anna Schwendi (gest. 1572) steht, die ebenfalls in der Kapelle beigesetzt wurde.


      Dieser Altar wechselte vor der Aufstellung in dieser Kapelle mehrfach seinen Standort und wurde immer wieder verändert. Fest steht, dass er ursprünglich in der Annen-Kapelle im Querhaus stand (heutige Magdalenen-Kapelle am Ende des Chorumgangs) und dass nur die geschnitzte Figurengruppe eines Altars erhalten ist, der um 1515 vermutlich von der Hand des Meisters HL entstand. Außer dem oberen Rankenwerk des Schreines ist die gesamte Altararchitektur erst im 19. Jahrhundert geschaffen worden. Der Freiburger Bildhauer Joseph Dominik Glaenz integrierte 1821 die Schnitzgruppe in einen neuen Altar, der als Pendant zum ebenfalls neugotisch umgearbeiteten Dreikönigsaltar am Vierungspfeiler seitlich vom Hochchor aufgestellt wurde.


      Kappellengitter


      Epitaph Scherenzgi

      Direkt links neben dem Böcklin-Monument, fast verdeckt von dem barocken Beichtstuhl, hängt ein kleines Epitaph für Jakob von Scherenzgi († 1584), der lange in Diensten des Dompropstes Böcklin stand und im Chorumgang vor der Kapelle seine letzte Ruhestätte fand. Das Gemälde zeigt den Stifter in Fürbitte kniend vor Christus am Kreuz. In bedeutend kleinerem Format findet sich auch hier das Motiv des Verstorbenen, der immerwährend für sein Seelenheil Fürbitte hält, das Wilhelm Böcklin in seinem Epitaph (in der ursprünglichen Aufstellung) in monumentalisierter Form aufgenommen hatte.

      So klein, so gut?

      Wie stark Repräsentation durch Größenverhältnisse wirksam wird, zeigt sich nicht nur an der starken Aufmerksamkeit, die Böcklin mit seinem Epitaph beansprucht, sondern auch in dem nur kleinen Format des Epitaphs von Scherenzgi, der über zwanzig Jahre als Hofjunker für Böcklin tätig war. Oben links, im Schatten des großen Grabmonuments und fast von dem barocken Beichtstuhl verdeckt, droht das bescheidene Epitaph fast übersehen zu werden.


      Kanonenkugeln als Zierrat

      • Die Gedächtnistafel für den österreichischen General Amadeus von Harrsch († 1772), der die Stadt Freiburg erfolgreich im Spanischen Erbfolgekrieg verteidigt hatte, stifteten seine Ehefrau und seine Kinder.

        Die Gedächtnistafel für den österreichischen General Amadeus von Harrsch († 1772), der die Stadt Freiburg erfolgreich im Spanischen Erbfolgekrieg verteidigt hatte, stifteten seine Ehefrau und seine Kinder.

        Wie eine weihnachtliche Dekoration mögen die drei Kugeln erscheinen, die vom unteren Rand des Epitaphs für Amadeus von Harrsch herabhängen. Tatsächlich sind sie als Kanonenkugeln Teil eines opulenten Rahmens, in dem über eine Vielfalt von militärischem Zierrat auf die Ruhmestaten des österreichischen Generals angespielt wird. In der Schrifttafel des Epitaphs wird er nicht nur als erfolgreicher Kriegsherr, sondern auch als Förderer der Künste und der Wissenschaften hervorgehoben. Von Harrsch war ab 1706 Gouverneur von Freiburg und verteidigte die Stadt 1713 gegen die französische Belagerung. 1714 aufgrund seiner Verdienste in den Grafenstand erhoben, starb er zwar 1722 in seinem Alterssitz in Niederösterreich, wurde aber im Chorumgang beigesetzt. Eines der drei Medaillons, die im Rahmen eingelassen sind, zeigt sein Bildnis. Eindrucksvoll hinterfangen die Fahnen, Standarten und Kriegsgeräte aufgefächert den Rahmen, so dass sie wie eine Gloriole von strahlendem Glanz erscheinen, fein und edel abgestuft in Gold-, Grau- und Silbertönen. Fast meint man, die Marschmusik des Krieges oder die siegreichen Fanfaren zu vernehmen.

        Details Kanonenkugeln


        Gruselige Gruft

        Als man 1739 feststellte, dass eine Bodenplatte in der Kapelle abgesunken war, wurde am 10. September des Jahres das Grab von Böcklin geöffnet, dessen Inschrift auf der Grabplatte am Boden den genauen Todestag kundtut: “Anno Domini 1585. Uf den 14. Tag October ist mit Tod abgangen der hochwürdig in Gott und dem Herrn, Herr Wilhelm Böcklin von Böcklinsau, der Primat Erzstift Magdeburg Thomprobst s. Röm. Kays. Maj. Rath, Ritter, Stifter dieser Kapellen und verordneten Almosen. (Kapelle.)"

        Man fand einen aufrechten, von vier Quadersteinen gebildeten Kasten, darin ein kupferner Sarg mit eingravierter Jahreszahl (1585) und einem schwarzen Kreuz. Die Öffnung des Sarges bringt einen „ganzen Körper“ zutage, „das Kleid als schwarzbraunen Samet mit schwarzem Taffet gefüttert […], alles aber war fast ganz vermodert“, so schildert es ein früher Münsterführer von 1820.